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Large sums, little sums of money


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    Erik Podzuweit hat gemeinsam mit Florian Prucker den Neobroker Scalable Capital gegründet – das Unternehmen verwaltet inzwischen mehr als zehn Mrd. € an Anlagevermögen. Auch der größte Vermögensverwalter der Welt, Black Rock mit Sitz in New York, ist in das Start-up investiert. Doch die Erfolgsgeschichte wurde bereits von einem größeren Datenleck getrübt. Podzuweit sagt, diese Rückschläge und auch die negative Presse gehen ihm als Unternehmer und als Mensch nah.

    Erik Podzuweit hat ein breites Grinsen auf dem Gesicht und wirkt entspannt. Das sticht heraus, denn Forbes trifft ihn auf einem Event; es ist laut und immer wieder kommen Menschen auf ihn zu, wollen sich mit ihm unterhalten. Kein Wunder, mit seinem lockigen, langen blonden Haar hat er Wiedererkennungswert: Er sieht nicht wie der Klischee-­Banker, sondern wie der Klischee-Surfer aus. Podzuweit ist Gründer und CEO des Neobrokers und digitalen Vermögensverwalters Scalable Capital. Das Unternehmen bietet Nutzern das Investieren auch von kleineren Beträgen in alle in Deutschland verfügbaren ETFs sowie Fonds, Derivate und Anleihen; der Zugriff erfolgt über eine App. ­Inzwischen hat Scalable Capital nach eigenen Angaben 600.000 Nutzer und verwaltet zehn Mrd. €. Im Herbst 2022 wurde der Meilenstein von einer Million Sparplänen überschritten. Aktiv ist der Neo­broker in sieben europäischen Ländern, das Team ist inzwischen 450 Mitarbeiter groß.

    Im Jahr 2021 stieg Scalable Capital zu einem der wenigen Unicorns in Deutschland auf. Im Bereich Personal Finance war das nicht unbedingt einfach, denn auch, wenn die Deutschen das Sparen lieben, ihr Geld legen sie deshalb nicht an – und schon gar nicht auf dem Aktienmarkt: In Deutschland waren 2022 laut dem Deutschen Aktieninstitut etwa 18,3 % der Ein­wohner am Aktienmarkt aktiv. In der Schweiz sind es etwas mehr, in Österreich tendenziell weniger.

    Dann kam die Pandemie und viele saßen untätig zu Hause herum. „Das Haushaltseinkommen ist für viele durch die damals doch relativ schnelle staatliche Unterstützung sogar gestiegen“, sagt Podzuweit. Auf der Ausgabenseite stand weniger – keine Reisen mehr, keine Restaurantbesuche –, und das habe für viele das Thema Investieren erstmals zugänglich gemacht. „Auch die Nachrichten haben vermehrt über das Thema berichtet, aber auch viele Youtube-Kanäle oder Podcasts mit dem Thema sind in den letzten zwei, drei Jahren entstanden.“ Und dann waren da die US-amerikanischen Robo-Advisors wie Robinhood oder Acorns, deren Erfolg über die Schlagzeilen in den DACH-Raum schwappte. Die Amerikaner sind in diesem Feld sehr viel aktiver, jeder zweite Bürger ist dort in den Aktienmarkt investiert.

    Podzuweit war geduldig und wartete auf diese perfekte Welle. Denn er sieht nicht nur aus wie einer, er ist tatsächlich auch ein erfolgreicher Windsurfer. Mit 16 Jahren zog er mit seinem Zwillingsbruder von Berlin auf die Nordseeinsel Norderney, um dort jeden Tag nach der Schule surfen gehen zu können. Seine Leidenschaft für das Investieren führte ihn aber schließlich nach London und Frankfurt, zu einer der größten Investmentbanken der Welt, Gold­man Sachs. Dort verbrachte Podzuweit insgesamt sieben Jahre, zwei Jahre als Analyst, dann wechselte er als Vice President nach London.

    Deswegen hat er einen Blick auf die Angebote und die Heran­gehensweise der großen Banken, und die gehen laut ihm oft an Privatanlegern vorbei. „Wir hin­gegen wollen den Zugang zum Kapitalmarkt für alle öffnen“, sagt Podzuweit. Für den Deutschen hat das etwas mit Teilhabe zu tun: „Ich kann Teilhaber eines Unternehmens sein – ich glaube, das macht etwas mit einem.“ Und bislang sei das nur eine Möglichkeit für institutionelle Kunden und vermögende Menschen gewesen. „Das, was am Ende im Portfolio bei einer Bank oder bei uns liegt, ist gar nicht so unterschiedlich.“ Die Amazon-Aktie oder der Fonds bei Goldman sei das gleiche Produkt wie in der Scalable-App. Podzuweit: „Aber der Zugang, die Handhab­barkeit und natürlich die Kosten sind drastisch anders, näm­lich nur ein Bruchteil.“ Eine Order kostet normalerweise zehn oder 20 €, bei Scalable ist sie mit einem Euro deutlich günstiger. Oder man zahlt fünf Euro im Monat, für 2,3 % Zinsen, und die Order kostet gar nichts. Traditionelle Banken müssen Filialen unterhalten und einen teuren Vertrieb finanzieren; deswegen sind sie auch für Anleger teurer.

    Scalable verdient aber trotzdem noch genug, sagt Podzuweit. „Obwohl der Monatsbeitrag sehr klein ist, ist das bei uns schon ein schöner Teil der Marge, weil wir auf neueste Technologie setzen und deswegen ganz viele Abwicklungskosten, die große Banken mit alten Systemen haben, sparen.“ Scalable Capital hat außerdem verschiedene Partnerschaften geschlossen und bekommt eine Art Regal-Gebühr dafür, dass sie die Produkte anzeigen. Und dann verdienen sie auch an den Market Makern mit, sprich sie bekommen einen Teil des Spreads.

    So wie aber auch beim Surfen nicht immer die perfekte Welle kommt, hat auch Scalable Capital turbulente Zeiten hinter sich: Daten von 33.200 Scalable-Kunden, etwa deren E-Mail-Adressen, Ausweis­kopien, Fotos und Kontonummern, waren im Zeitraum von April bis Oktober 2020 als Folge eines Daten­lecks im Darknet gelandet. Scalable Capital wurde bereits vom Land­gericht München zu Schadenersatzzahlungen an einen einzelnen Kunden verdonnert – weil 33.200 Kunden betroffen waren, könnte es nötig sein, dass Scalable Rückstellungen in Höhe von über 80 Mio. € bilden muss, um auf neue Klagen vorbereitet zu sein. Podzuweit will dazu noch nichts sagen, weil recht­lich noch nicht alles geklärt ist.

    Aber ihm ging das an die Nieren, sagt er. „Man denkt dann immer: ,Oh Gott, das ist ja eine Katastrophe, ich muss unseren Namen ändern!‘ Aber die Aufregung ist ganz kurz und heftig, gerade auf Social Media.“ Seine Lektion: „Bloß nicht den Moment aufblasen und denken: ,Oh Gott, so bleibt es jetzt, es geht immer so weiter!‘ Vieles verpufft dann auch.“ Er erinnert sich an seine Zeit bei Goldman und sagt, in seinem eigenen Unternehmen schlagen kleinere Ereignisse natür­lich immer größere Wellen, bei den großen spüre man das weniger.

    Die großen Banken seien einerseits Konkurrenz, sagt der Deutsche („wir wollen Kunden von den klassischen Banken rüber­ziehen“) – gleichzeitig sind die jüngsten Schmerzen der Banken und der Finanzwelt nach den großen Schockwellen durch einige ­Institute aber auch für Podzu­weits digitale Plattform bedrohlich. „Na­türlich sind wir an der Stabilität des Systems insgesamt interessiert“ – denn alles andere schaffe Unsicherheit, verschrecke Anleger und „würde dann dieses aufkeimende Pflänzchen, das ich beschrieben habe, diese neue Anlegerkultur, ersticken“.

    Damit diese Kultur weiter wachsen könne, wünscht Podzu­weit sich ein Umdenken in der finan­ziellen Bildung; Geld als Schulfach, ganz konkret. Denn: „Für mich persönlich bedeutet Geld auch Freiheit.“ Und das will Scalable nun auf eine breitere Bevölkerungsschicht ausweiten, erklärt er noch einmal. „Mein Wunsch wäre, dass jede Bürgerin und jeder Bürger einen ETF-Sparplan in der Tasche hat, mobil heruntergeladen.“ Dann setzen laut Podzuweit nämlich zwei Dinge ein: Man baut sich selbst ein Polster auf, in guten wie in schlechten Phasen, und das Interesse steigt auf einmal weiter. „Und der Ge­danke der Teilhabe ist interessant. Sobald man mal wirklich etwas besitzt, hat man so ,skin in the game‘ und dann sagst du vielleicht: ‚Ach, jetzt höre ich bei den Nachrichten oder Podcasts zu dem Thema doch mal zu!‘“, so Podzuweit.

    Erik Podzuweit hat viele Jahre Erfahrung im Finanz- und E-Commerce-Sektor gesammelt. Er war Co-CEO bei Westwing Home & Living Deutschland, davor arbeitete Podzuweit sieben Jahre lang in London und Frankfurt als Executive Director und Vice President bei Goldman Sachs.

    Text: Sophie Schimansky
    Fotos: David Visnjic

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    Author: Joseph Miller

    Last Updated: 1702504082

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